Der Rumpf des weißen Orion-P-3-Seefernaufklärers zerschneidet den leuchtend blauen Himmel in der Bucht der ecuadorianischen Hafenstadt Manta mit etwa 200.000 EinwohnerInnen. Es ist ein Samstag im Juli des heurigen Jahres. Nach fast 6.000 Flügen und 7.000 Flugstunden jährlich seit 1999 hebt an diesem Tag der letzte von acht an der Eloy-Alfaro-Militärbasis in Manta stationierten US-Aufklärer ab. 30 Autominuten von Manta an der Pazifikküste in Ecuadors Provinz Manabí entfernt liegt in einer hügeligen Landschaft Montecristi. Es ist die Geburtsstadt des herausragenden liberalen Politikers und zweifachen Präsidenten Ecuadors, Eloy Alfaro (1842-1912). Auf den vor fast hundert Jahren von seinen Feinden in der Oligarchie ermordeten Politiker beruft sich heute Ecuadors Linksregierung unter Rafael Correa als Vorbild. Hier ließ 2007 Präsident Correa den Sitz der Verfassunggebenden Versammlung errichten.
Die im September 2008 mit breiter Mehrheit abgesegnete neue Verfassung Ecuadors untersagt ausdrücklich „die Errichtung von ausländischen Militärbasen oder militärischen Installationen“. „Nationale Stützpunkte dürfen ausländischen Streit- oder Sicherheitskräften nicht überlassen werden“, heißt es kurz und bündig in Artikel 5 des neuen Grundgesetzes. Das bedeutete auch das Ende der Manta-Militärbasis der Vereinigten Staaten. Seitdem beschäftigte die Militärstrategen im Pentagon die Frage, was nun mit diesem wichtigsten, mit modernster Satelliten-Technologie ausgestatteten Spionage-Zentrum in Südamerika passieren sollte.
Eine Version jagte die andere. Von einer möglichen Verlegung nach Pichare in den Südosten Perus war die Rede, und immer wieder wurde auch Kolumbien genannt, mit seinem rechtsautoritären Präsidenten Uribe einer der wenigen verbliebenen Alliierten Washingtons. Doch die kolumbianische Regierung dementierte regelmäßig und entschlossen entsprechende Gerüchte.
Die Luftmobilität als Kunst der Kriegsführung im 3. Jahrtausend: Laut Luis Ángel Saavedra von der Menschenrechts-Organisation INREDH in Quito lieferte das Air-Mobility-Command (CAM), das Luftfracht-Kommando der US-Air-Force, die Antwort auf das Rätselraten. Bei einem Treffen der obersten Chefs der sechs Kommandos der US-Streitkräfte aus aller Welt im vergangenen Jahr in Washington kreiste das Thema um das gegen Ende der Ära G.W. Bush wieder aktivierte US-Afrika-Kommando (USAFRICOM). Dabei entstand jenes Dokument, das Anfang August in ganz Lateinamerika für einen Aufschrei sorgte, als Präsident Álvaro Uribe öffentlich angekündigt hatte, dem US-Militär Tür und Tor zu sieben Militärbasen auf Kolumbiens Territorium zu öffnen.
Noch einen Tag nach dem letzten Aufklärungsflug in Manta hatte US-Botschafter William Brownfield in Bogotá am 18. Juli erklärt: In Kolumbien „wird es keine US-Militärbasen“ geben. Präsident Barack Obama legte Anfang August im Vorfeld des UNASUR-Gipfels (Union der südamerikanischen Länder) in Ecuadors Hauptstadt noch nach: „Die USA werden in Kolumbien keine Militärbasen errichten.“ Und Kolumbiens Vizeaußenministerin Clemencia Forero beschwichtigte beim UNASUR-Gipfel am 10. August in Quito die vor allem um die Präsidenten Hugo Chávez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien) und Correa erhitzten Gemüter: „In Kolumbien hat es nie US- oder andere ausländische Militärstützpunkte gegeben und es wird sie auch nicht geben.“
Der US-Luftwaffenstützpunkt Manta, seit dem 18. September wieder in der Hand Ecuadors, gehörte zum Southern Command des Pentagon (USSOUTHCOM). Im Zuge der Schließung der Howard-US-Luftwaffenbasis Anfang Mai 1999 in Panama und der Verlegung des SOUTHCOM aus der Kanalzone nach Miami grübelte das Pentagon über ein Konzept der „subregionalen Kontrolle“ über Lateinamerika. Dabei entstand mit fast 600 Hektar, einer drei Kilometer langen Landebahn und 40 Gebäuden mit Unterbringungskapazität für 500 Mann der größte „vorgelagerte Operationsstützpunkt (FOL) auf dem Kontinent – die US-Basis in Manta. Einen zweiten FOL errichteten die USA auf dem Königin-Beatrix-Flughafen in Aruba, einen dritten im Jahr 2000 am Internationalen Flughafen in San Salvador.
Diese kleineren, auch „lily pads“ oder „Grashüpfer“ genannten Stützpunkte haben einen großen Vorteil: ihr Betrieb ist oft mit kaum mehr als einem Dutzend permanentem US-Personal möglich, wobei das jeweilige Land – formal – Eigentum und Kontrolle über die Militärbasis behält, die „politischen Kosten“ also minimal sind. Ein solcher, nunmehr in CSL oder „Cooperative Security Location“ umgetaufter Operationsstützpunkt wird jetzt, als Ersatz für Manta, in der Palanquero-Militärbasis im Departement Cundinamarca in Zentralkolumbien nördlich von Bogotá eingerichtet. Das US-Verteidigungsministerium hat bereits die 46 Millionen US-Dollar Startbudget bewilligt, um die am Río Magdalena, an Kolumbiens wichtigstem Fluss, gelegene Militärbasis aus dem Jahr 1932 auf Vordermann zu bringen.
Palanquero stand jedoch einmal auf der schwarzen Liste der USA. Von dort stiegen 1999 kolumbianische Bomber auf und richteten in Tame in Santo Domingo im Departement Arauca ein Massaker an 18 Campesinos an und legten das Dorf in Schutt und Asche. Die USA stellten daraufhin jegliche Unterstützung für Palanquero ein. Im vergangenen Jahr nahm sie US-Botschafter Brownfield jedoch wieder auf.
Die Anlage mit einer 3,5 Kilometer langen Landepiste, Baracken für bis zu 2.000 Soldaten, Hangars für gut einhundert Flugzeuge wird alles, was man bisher aus Manta kannte, in den Schatten stellen. In Ecuador waren zwei Awacs-E-3-Aufklärer einschließlich Tankflugzeugen stationiert. Palanquero jedoch erlaubt die Landung von Flugzeugen des NATO-Kalibers wie der Boeing C-17 Globemaster III oder des gigantischen Galaxy-Transporters.
„Das erklärt sich durch die neue US-Strategie der ‚Rapid Global Mobility‘, der schnellen globalen Mobilität. Denn das sind Flugzeuge, die zum Beispiel Leichtpanzer wie den Stryker oder wie beim Irak-Krieg innerhalb von 24 Stunden tausende Mann überall hin transportieren können“, sagt Luis Ángel Saavedra von INREDH. Die Organisation ist ein Teil des weltweiten Netzwerks „No bases“ (Keine Militärbasen) mit Sitz in den Niederlanden. In dem in Washington debattierten 36-Seiten-Papier „White Paper Air Mobility Command Global en Route Strategy“ (Strategiepapier Luftfracht-Kommando Globale en-Route-Strategie) ist auf Seite 22, Punkt 12 über die südamerikanische Strategie klipp und klar zu lesen: „Mit Assistenz von AMC und USTRANSCOM konnte USSOUTHCOM Palanquero als CSL identifizieren (…) Von diesem Punkt aus kann ein C-17-Flugzeug ohne Auftanken fast den halben Kontinent überfliegen (…) Die Strategie, in Palanquero einen CSL zu errichten, sollte für Luftmobilität und Erreichbarkeit auf dem südamerikanischen Kontinent ausreichend sein.“
Neben der Basis Palanquero sollen der US-Armee noch folgende Stützpunkte in Kolumbien überlassen werden: Malambo in der nördlichen Karibik für die Luftwaffe, ebenso Apiay in Ostkolumbien, Cartagena am Atlantik und Bahía Málaga am Pazifik für die Marine und Tolemaida im Departement Tolima für das Heer. An Personal sind 800 US-Militärangehörige und 600 Söldner privater Militärunternehmen vorgesehen.
„Wenn die Yankees sich erst einmal hier eingenistet haben, wird es schwer sein, sie wieder raus zu bekommen“, meint Luis Ángel Saavedra. Er ist besorgt, genauso wie zahlreiche Staatschefs in Südamerika, über das Beharren Uribes, den Kolumbienkonflikt nach außen zu tragen. Die Militärbasen werden angeblich benutzt zum Kampf gegen den Drogenhandel in der Produktionszone und gegen „Terroristen“, womit im offiziellen kolumbianischen Sprachgebrauch die Guerilla gemeint ist. Doch der ecuadorianische Menschenrechtsaktivist meint: „Ich befürchte und schließe künftig einen bewaffneten Konflikt mit Nachbarländern nicht aus – das wäre das Schlimmste, was in unserer Region passieren könnte.“
Ein Kooperationsvertrag zwischen Kolumbien und den Vereinigten Staaten steht kurz vor der Unterzeichnung. Dass die US-Militärs in Kolumbien Immunität genießen, erscheint gesichert; fraglich ist noch, ob auch die privaten Militärdienstleister in diesen „Genuss“ kommen sollen. In dem Abkommen sind auch gemeinsame militärische Operationen festgelegt, um „gegen die gemeinsamen Bedrohungen des Friedens, der Stabilität, der Freiheit und der Demokratie vorzugehen“.